Bezirksbürgermeisterin von Neukölln - Franziska Giffey
Heute unsere Familienministerin, war Franziska Giffey lange Bezirksbürgermeisterin von Neukölln. Als sie ganz neu im Amt war, hat die Stadtteilzeitung walter ein Kinderreporter-Interview mit ihr veröffentlicht:
Vier Schülerreporter von der Gemeinschaftsschule am Campus Efeuweg haben sich auf den Weg ins Rathaus gemacht und der frisch gebackenen Bezirksbürgermeisterin Fragen gestellt:
Sullivan: Wollten Sie schon als Kind Bürgermeisterin werden?
Franziska Giffey: Nein, ich hatte überhaupt nicht den Plan, Bürgermeisterin zu werden. Ich wollte schon als Kind Lehrerin werden. Ich habe dann auch Abitur gemacht und das Lehramtsstudium angefangen. Und zwar Englisch und Französisch hier in Berlin an der Humboldt-Universität. Vorher habe ich immer schon Nachhilfestunden gegeben für Kinder, die mit Französisch nicht so gut klargekommen sind. Und wenn ich viele Schüler hintereinander hatte und viel gesprochen habe, habe ich damals schon gemerkt, dass es sehr anstrengend für meine Stimme war. Dann habe ich irgendwann beim Arzt eine Stimmuntersuchung machen lassen und dann - stellt Euch das mal vor – wurde mir gesagt, dass ich nicht geeignet für den Lehrerberuf bin, weil meine Stimme nicht stark genug ist! Tja, und dann habe ich mich entschieden, etwas anderes zu machen. Schweren Herzens - ich war sehr traurig darüber, weil Lehrerin eigentlich mein Traumberuf war.
Olivia: Wie wird man eigentlich Bürgermeisterin?
Franziska Giffey: Ich erzähle mal, wie ich da hingekommen bin: Ich habe dann überlegt, ob ich vielleicht Wirtschaft studieren soll, oder Recht, aber so ganz war das alles nicht das Richtige. Aber in Berlin gab es ein Verwaltungsstudium, wo Recht dabei war, Wirtschaft, aber auch Politik und Soziologie. Das fand ich ganz spannend, weil in dem Studiengang verschiedene Themen behandelt wurden. Dafür habe ich mich dann beim Bezirksamt Treptow-Köpenick beworben. Und dort wurde ich als Anwärterin für den öffentlichen Dienst angenommen. Das war so: Man studierte eine Weile und hatte dann aber drei Monate praktischen Einsatz im Bezirksamt. Und ich bin angenommen worden, habe Verwaltungswirtschaft studiert und darin meinen Abschluss gemacht. Dann habe ich angefangen, im Bezirksamt Treptow-Köpenick zu arbeiten, beim Bürgermeister. Dort war ich für Städtepartnerschaften zuständig und auch für EU-Fördergelder.
Dann wurde im Bezirksamt Neukölln eine Stelle als Europabeauftragte ausgeschrieben. Sie brauchten jemanden, der EU-Fördergelder in den Bezirk holen konnte, um Projekte durchführen zu können. Schulprojekte, Berufsprojekte für junge Leute, soziale Projekte. Mit solchen Fördergeldern kann man nämlich viel machen in einem Bezirk, man kann viel bewirken. Gerade war ich bei der Eröffnung einer neuen Kita mit einem Familienzentrum, das ist auch von der Europäischen Union gefördert worden – das heißt, sie haben Geld aus Europa dafür bekommen. Jedenfalls habe ich diese Stelle bekommen und das acht Jahre lang gemacht und habe dabei ganz eng mit unserem ehemaligen Bürgermeister zusammengearbeitet, mit Heinz Buschkowsky. Und dann bin ich 2007 in die SPD eingetreten, in die sozialdemokratische Partei.
Das war eigentlich der Beginn auf dem Weg zum Bezirksbürgermeister. Das kann man nämlich nur werden, wenn man sich für eine Partei entscheidet. Jede Partei schlägt dann jemanden vor, der Bürgermeister werden soll, und die Partei, die die meisten Stimmen bekommt, darf den Bezirksbürgermeister stellen. Und die SPD hatte bei der letzten Wahl über 40% der Stimmen – und so wurde der Sozialdemokrat Heinz Buschkowsky Bürgermeister. Als dann klar war, dass er vorzeitig aufhören muss, hat er mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, sein Amt zu übernehmen. Nach dem ich Europabeauftragte war, wurde ich ja 2010 Bildungsstadträtin. Ich war also auch schon fast fünf Jahre als Politikerin unterwegs, konnte also schon Erfahrung sammeln und hatte auch schon viel Verantwortung. Für unsere Schulen, die Bibliotheken, für das Museum Neukölln.. Außerdem habe ich schon eine ganze Weile die Vertretung von Heinz Buschkowsky übernommen. Und als er mich dann fragte, habe ich mich dafür entschieden. Die SPD hat dann entschieden, mich aufzustellen und unser Parlament, die Bezirksverordnetenversammlung, hat mich am 15. April zur Bezirksbürgermeisterin gewählt.
walter-Redaktion: Waren Sie gut in der Schule?
Franziska Giffey: Ja. Man muss fleißig sein, sehr diszipliniert und manchmal auch hartnäckig. Denn wenn man etwas Bestimmtes machen will in der Politik, gibt es auch oft Leute, die das so nicht wollen. Deshalb muss man auch Leute finden, die einen unterstützen. Man muss viel lernen dafür und in der Lage sein, sich schnell neue Sachen anzueignen. Ich muss als Bürgermeisterin jeden Tag neue Sachen dazulernen.
Sullivan: Welche Aufgaben hat eine Bürgermeisterin?
Franziska Giffey: Also zuerst bin ich Chefin der Bezirksverwaltung. Das Bezirksamt hat ungefähr 1700 Mitarbeiter, es ist also ein großes Unternehmen. Und für all diese Mitarbeiter bin ich verantwortlich. Und ich bin zuständig für die Finanzen, also für das Geld, die Bezirkskasse. Das Geld, das in dieser Kasse ist, nennt man den Haushalt. Und das sind ungefähr 700 Millionen Euro im Jahr. Das ist sehr viel Geld und der Großteil davon, also über 70% wird für Sozialleistungen ausgegeben. Für Wohngeld, Hilfen für Kinder und Familien, für Ältere - eben für soziale Zwecke. Der Rest ist für die Gehälter des Personals (also die 1700 Mitarbeiter), Sachkosten, Ausstattung (Wie Computer, Möbel, etc.). Und einen kleinen Teil kann der Bezirk für Investitionen ausgaben. Für Straßenbau, für Schulen, für Dinge, die wir erneuern wollen. Aber das sind grade mal 2 Prozent. Und dass wir so viel Geld für Sozialleistungen ausgeben – vielmehr als andere Bezirke – liegt daran, dass es hier viele Menschen gibt, denen es nicht so gut geht und die Hilfe brauchen.
Ich muss mich also um die Finanzen kümmern und um das Personal, das sind zwei große Aufgabenbereiche. Der dritte Aufgabenbereich ist das Repräsentieren. Als Bürgermeisterin vertrete ich den Bezirk Neukölln ja nach außen. Ich besuche unsere Schulen, habe gerade eine neue Lernwerkstatt in einer Schule eingeweiht. Ich muss zu Presseterminen gehen und die Fragen der Journalisten beantworten. Ich bin oft Schirmherrin für Veranstaltungen, wie zum Beispiel beim Schülerthriathlon in der Gropiusstadt, den eröffne ich am 27. Juni. Ich bekomme sehr viele Anfragen, ob ich Veranstaltungen besuchen komme oder sie eröffnen kann. Oft muss ich eine kleine Rede halten. Ich bin sehr viel unterwegs und ich muss entscheiden, wo ich hingehe, denn die Zeit reicht leider nicht aus, um alles zu machen.
Und der vierte Aufgabenbereich ist die Politik. Unter anderem muss ich dem Bezirksparlament einmal im Monat Rede und Antwort stehen. Das Bezirksparlament kontrolliert mich und ich muss meine Entscheidungen, die ich für den Bezirk getroffen habe, dort erklären und die Fragen der Bezirksverordneten beantworten. Diese Parteiarbeit ist auch ein großer Teil meiner Arbeit.
Jenny: Warum wollten Sie gern Bürgermeisterin werden?
Franziska Giffey: Weil man als Bürgermeisterin die Möglichkeit hat, Sachen zu entscheiden. Mein Sohn hat gesagt: „Cool, Mama, dann kannst Du ja jetzt bestimmen!“ (lacht) Aber im Ernst: Es ist eine riesengroße Chance, wenn man Dinge entscheiden kann. Ich möchte nicht Chef sein, um des Chef-sein-Willens, sondern weil ich etwas bewegen will und etwas Gutes für Neukölln erreichen möchte. Ich wollte immer etwas Sinnvolles tun und das kann ich hier. Ich kann einen Beitrag dafür leisten, dass Neukölln besser wird – nämlich sozialer und gerechter. Deshalb mache ich das.
Recep: Was für Vorteile hat es für uns Schüler, wenn Sie Neuköllns Bürgermeisterin sind bzw. bleiben?
Mein großes Thema ist ja die Bildung. Ich war ja vorher Bildungsstadträtin und finde Bildung ganz, ganz wichtig und ich finde, dass wir alles daran setzen müssen, damit die Kinder, die in Neukölln aufwachsen, eine gute Chance im Leben haben. Es darf keine Rolle spielen, ob eine Familie Geld hat oder nicht. Ich möchte dafür sorgen, dass alle Kinder später die gleichen Chancen haben, auch wenn sie von zuhause aus weniger Unterstützung bekommen können. In Neukölln wird schon viel für die Schulen getan – ich werde weiter dafür sorgen, dass so viel Geld, wie möglich, in die Bildung und die Schulen investiert wird. Und das ist mein großes Schwerpunktthema, weil ich glaube, wenn alle Schülerinnen und Schüler einen guten Schulabschluss machen, wird es auch Neukölln in Zukunft gut gehen.
Sullivan: „Ja, man fördert dann sozusagen die Zukunft.“
Franziska Giffey: „Genau das ist der Punkt! Und da ist noch viel zu tun, denn wir haben immer noch 300 Kinder in Neukölln, die die Schule jedes Jahr ohne Abschluss verlassen. Und ich werde mich darum kümmern, dass wir das ändern können und mich dafür einsetzen, dass wir nicht mehr soviel arbeitslose Jugendliche haben. Und insofern würde ich schon gern auch über das nächste Jahr hinaus Bürgermeisterin bleiben.
Jenny: „Ich habe noch eine Frage zum Mittleren Schulabschluss: Weshalb dauert es so lange, wenn man die Prüfung abgelegt hat, bis man die Ergebnisse bekommt – fast zwei Monate?“
Franziska Giffey: „Ich verstehe, dass das ganz schwierig für Euch ist, aber ich fürchte, da kann man nichts machen. Der Bezirk ist ja nur für die Schulgebäude zuständig. Die anderen Dinge, wie die Prüfungsvorschriften werden vom Land Berlin geregelt. Und die haben ganz strenge Vorgaben für die Korrekturen der MSA-Prüfungen. Es dauert eine Zeit bis alle Lehrer alle Prüfungen korrigiert haben. Dann werden die Ergebnisse kontrolliert. Und erst wenn alle Ergebnisse kontrolliert sind und das Gesamtergebnis feststeht – und das ist auch nochmal eine Menge Arbeit - können sie veröffentlicht werden, und es kann Euch mitgeteilt werden. Bei den Abiturprüfungen dauert es auch so lange. Das ist immer blöd, aber es muss eben alles sorgfältig geprüft werden und das dauert einfach!“
Olivia: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Meine Freizeit ist schon knapp, das ist in diesem Job so. Und wenn ich Zeit habe, dann nehme ich sie mir für meinen kleinen Sohn. Deshalb habe ich im Moment nicht wirklich Hobbys. Ich versuche, meinem Sohn so viel wie möglich vorzulesen. Mein Privatlektüre sind also zur Zeit Kinderbücher – da kenne ich mich sehr gut aus! Und ich spiele Gitarre. Ich komme nicht sehr oft dazu, aber ab und zu spiele ich. Meine Großmutter war Musiklehrerin und hat mir Flöte und Gitarre beigebracht und später war ich in der Musikschule. Ich fahre auch sehr gern Rad und meine Lieblingssportart ist Schwimmen.“
Recep + Sullivan: „Dann könnten Sie ja in unserem Team beim Schüler-Thriathlon mitmachen, wir suchen noch einen Schwimmer!!“
Franziska Giffey (lacht): „Oh, dann hätten wir vermutlich auch die Bildzeitung im Schwimmbad! Aber ich glaube, ich bin nicht mehr ganz in Eurer Altersklasse ;-)
Aber ich bin auf jeden Fall dort, ich bin ja Schirmherrin. Ich wünsch‘ Euch dann Glück!“
Frau Dr. Giffey, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führten:
Jennifer Marinkovic 14 J., Olivia Rospleszcz, 13 J. Klasse 7 c,
Recep Coban, 17 J., Sullivan Paschke, 16 J. Klasse 10 a,
Gemeinschaftsschule Campus Efeuweg
Erstveröffentlichung in der Stadtteilzeitung walter (91. Ausgabe Juni/Juli 2015)