Grundstein

Gropiusstadt Geschichte: Die Grundstein-Story

Am 7. November 1962 - war die feierliche Grundsteinlegung für den ersten Bauabschnitt der Gropiusstadt.
Der damalige Regierende Bürgermeister Berlins, Willy Brandt, war dabei, der Architekt Walter Gropius natürlich und auch der Direktor, der Wohnungsgesellschaft Gehag, Dr. Karl-Heinz Peters. 1202 Wohneinheiten sollte der 1. Bauabschnitt am Grünen Weg im damaligen Buckow umfassen. Hier fängt die Gropiusstadt noch heute an. Wie immer bei solchen Grundsteinlegungen wurde eine Kupferkassette in die Grundmauern des zu bauenden Hauses eingemauert. Darin befinden sich traditionell Zeitzeugnisse, wie zum Beispiel eine aktuelle Tageszeitungen und symbolische Gegenstände  - eine sogenannte Zeitkapsel. In der Grundsteinkassette der Gropiusstadt befanden sich außer verschiedenen Tageszeitungen auch noch Münzen im Wert von 10 D-Mark, Bauzeichnungen, Fotos von Walter Gropius und dem Baugelände im Urzustand. Und die Gründungsurkunde der Gropiusstadt, auf Leder geschrieben und mit Unterschriften – auch von Walter Gropius. Sie beginnt mit den Worten: „Im Jahre 1962, im vierzehnten Jahr des Wiederaufbaus unserer 1945 zerstörten Millionenstadt, legen wir hier den Grundstein im 1. Bauabschnitt einer Erweiterung der Bebauung des Bezirks Neukölln um rund 14500 Wohnungen […]“. Mit drei Hammerschlägen besiegelten Gropius und Brandt die Grundsteinlegung, dann wurde über die zugelötete Kassette eine Schicht Mauersteine mit Mörtel ordentlich vermauert und der Grundstein war gelegt. Die Zukunft der Gropiusstadt konnte beginnen. 

Und sie begann gleich mit einer Straftat! Noch in derselben Nacht wurde die Grundsteinkassette gestohlen!!
Diebe brachen - vermutlich mit einem Stemmeisen - die oberste Schicht des Grundsteins auf und entwendeten die Kassette! Mehrere Berliner Zeitungen wie der Abend, die Berliner Morgenpost, der Tagesspiegel und Bild berichteten am 9.11.1962 davon. 

Wie es weiterging
Der Ärger war groß und ein so berühmtes (und umstrittenes) Bauvorhaben ohne Grundstein geht ja gar nicht – das bringt womöglich Unglück. Also beschloss die Gehag, eine Weile zu warten und falls die gestohlene Kassette nicht wiedergefunden würde, eine 2. Grundsteinlegung durchzuführen. Und so war es auch, die Kassette tauchte nie wieder auf. Man kann heute nur spekulieren, was die Diebe damit gemacht haben. Ein Grundstein-Liebhaber-Diebstahl, ein Kupferkassettensammler oder ein Stemmeisen-Rowdy? Viel Geld war der Inhalt ja nicht wert! 

Jedenfalls fand dann am 12. Juni 1963 eine 2. Grundsteinlegung statt. Der Inhalt der Kassette war komplett neu beschafft worden. Und diesmal „… müssen wir die Kassette noch einmal versenken, und wirklich so sicher, dass sie der Nachwelt erhalten bleibt“, sagte Gehag-Direktor Dr. Peters*. Deshalb wurde der Grundstein dann auch in einen Beton-Tresor eingegossen und zwar im Keller eines Hauses - Dieben so unzugänglich wie möglich – und auch nicht genau am Ort der 1. Grundsteinlegung. Es war auch kein spektakulärer, sondern ein inoffizieller kleiner Akt, denn Professor Gropius war leider längst wieder zurück in die USA geflogen, wo er lebte. Aber so hat die Gropiusstadt ihren Grundstein doch noch bekommen und konnte darauf ja ganz glücklich bauen und groß werden!

Aber wo liegt denn nun der Grundstein??
Das ist ein großes Rätsel: Obwohl die Redaktion der Stadtteilzeitung walter überall recherchiert hat - beim Stadtplanungsamt, beim Vermessungsamt, bei den Berliner Zeitungen, im Museum Neukölln, bei ehemaligen Mitarbeitern der Gehag und bei der Wohnungsgesellschaft Deutsche Wohnen, in deren Besitz die Gehag-Häuser jetzt sind – niemand weiß, wo der Grundstein wirklich liegt. In welchem Keller und unter welchem Haus. Das ehemals sehr umfassende Gehag-Archiv gibt es nicht mehr. Viele, die mit Bau oder Verwaltung der Gropiusstadt zu tun hatten, leben nicht mehr. Und da die 2. Grundsteinlegung nicht in großem Rahmen stattfand (vermutlich auch, weil man nicht riskieren wollte, dass der oder die Grundstein-Liebhaber wieder zuschlagen konnten), waren nicht viele dabei.

Dr. Karl-Heinz Peters, der damalige Leiter der Gehag, wurde im hohen Alter von 100 Jahren sogar noch gefragt, aber er konnte sich nach so langer Zeit leider nicht mehr erinnern...

Jetzt hat der Gropiusstadt-Chronist Hans-Georg Miethke recherchiert und weitere Archiv-Artikel der Zeitungen ausgegraben und sogar einen Film, auf dem man einen kurzen Ausschnitt der 2. Grundsteinlegung im Keller sehen kann. Und er hat es geschafft, den Ort auf zwei mögliche Häuser einzugrenzen. Das Quartiersmanagement hat jetzt bei der Nachfolge-Wohnunggesellschaft Deutsche Wohnen angefragt und eventuell gibt es bald eine "Grabung". Dann werden wir hoffentlich bald wissen, wo der Grundstein der Gropiusstadt liegt!!

Undine Ungethüm

 

* laut Tagesspiegel vom 12.6.1963