Der Wildmeister

Der Wildmeister Hugo Luther - Spuren der Vergangenheit

Am Donnerstag, 19. Januar 1901, schrieb das Teltower Kreisblatt einen Nachruf auf den verstorbenen Wildmeister Hugo Luther, dem Mann, der das Vogelwäldchen – immerhin die größte zusammenhängende Grünfläche mit dem ältesten Baumbestand der Gropiusstadt - ursprünglich angepflanzt hat und seit 1939 der Namensgeber für den Wildmeisterdamm ist (vorher Buckower Chaussee und Bahnhofstraße). Er war zwei Tage vorher völlig unerwartet an einem Herzschlag gestorben, nachdem er am Samstag zuvor noch bei der Hofjagd in Britz, Buckow und Großziethen seinen Dienst versehen hatte.

Als Beamter des königlichen Hofjagdamts hatte er die Aufgabe, im Hofjagdgebiet das Niederwild (Hasen, Trappen und Rebhühner) zu hegen, also die Füchse zu dezimieren, die Wilderer fern zu halten und Schutzgebiete (Wildremisen) anzulegen, in denen die Aufzucht des Nachwuchses der zu jagenden Tiere erfolgen konnte. Die Majestäten und ihre Gäste wollten schließlich reichlich Beute machen. Mehr als 500 Hasen blieben da schon mal in einer Jagdsaison auf der Strecke. Eine solche Wildremise war das Vogelwäldchen, früher wohl auch „Adams Ruh“ genannt. Weiterhin hatte er dafür zu sorgen, dass genügend Treiber zur Verfügung standen und das Gerät, (Stangen, Netze und Tücher) in gutem Zustand bereitstand. Sein erster Titel war Jagdzeugjäger. 

Als er als 30jähriger dieses Amt antrat, brachte er schon einige Erfahrung mit. 1841 geboren als Sohn des Gutspächters in Zerbitz nahe Döberitz, besuchte er das Gymnasium in Potsdam, das er als Sekundaner (vergleichbar dem heutigen mittleren Schulabschluss) verließ. Darauf absolvierte er eine Lehre als Förster in Falkenhagen, nach deren Ende er freiwillig zum Militär ging und vier Jahre bei den Gardejägern diente. Während dieser Dienstzeit nahm er 1864 am Deutsch-Dänischen Krieg teil. Schon 1866 war er wieder Soldat im Deutsch Österreichischen Krieg. Danach bestand er 1869 die Försterprüfung. Nach einigen Beschäftigungen als Gutsförster  u.a. auch auf dem Gut Hohenfinow bei dem Vater des späteren Reichskanzlers von Bethmann-Hollweg, musste er 1870 als Garde-Oberjäger der Reserve in den Krieg gegen Frankreich ziehen. Dort zeichnete er sich durch besondere Tapferkeit aus und es wurden ihm das Eiserne Kreuz 1. Klasse und die Goldene Verdienstmedaille des königlich sächsischen St.-Heinrich-Ordens verliehen.

Diese Auszeichnungen waren  1871 sicher hilfreich bei der Einstellung durch das Hofjagdamt in Berlin für die Jagdschutzstelle in Buckow. Dort wohnte er zuerst im  Gasthof „Deutscher Kaiser“. Später zog er mit seiner ledigen Schwester Clara, die ihm den Haushalt führte, in das Bartha’sche Gehöft am damaligen Südrand Buckows (lt. Mitteilung von Zeitzeugen heute am Buckower Damm zwischen Ringslebenstraße und Futhzeile). Luther blieb unverheiratet. Von seiner Wohnung aus hatte er einen Ausblick von Rudow über Großziethen bis nach Lichtenrade und Mariendorf. Mit Hilfe des Feldstechers konnte er Wilddiebe im Jagdgelände gut erkennen und gegen sie vorgehen. 

Während seiner Dienstzeit erlebte er im Revier drei Kaiser, Wilhelm I, Friedrich III (nur als Kronprinz) und Wilhelm II, den Reichskanzler Bismarck und viele andere hohe Politiker und Militärs der Hohenzollernmonarchie ebenso wie die Elite des Kreises Teltow mit dem Landrat Stubenrauch. Als „Bilderbuch-Preuße“, war er natürlich eine im ganzen Kreis bekannte und geachtete Persönlichkeit. Als er 1896 sein 25jähriges Dienstjubiläum beging, heißt es in der Würdigung des Teltower Kreisblattes: „Herr Bauerngutsbesitzer Rohrbeck (in Buckow) toastete, … Die Verdienste des Jubilars um die Jagd seien hinreichend bekannt und reichten weit über die Grenzen unserer engen Heimath hinaus; dieselben wären aber auch wiederholt anerkannt und gewürdigt worden von Se. Maj. dem K a i s e r (Wilhelm II), dessen Huld sich der Jubilar besonders zu erfreuen hätte. Eine derartige Würdigung habe man in der vor Kurzem erfolgten Beförderung des Jubilars zum Kgl. W i l d m e i s t e r zu  erblicken.“

Diese Beförderung, die sicher auch mit einer Gehaltserhöhung verbunden war, konnte er also nicht mehr lange genießen und er ersparte seinem Dienstherren auch die Pension; Preuße also über den Tod hinaus. Ob die Auseinandersetzung der Buckower mit dem Hofjagdamt wegen der Hasenplage Ende der 90er Jahre in Verbindung mit einer höheren Pachtforderung Einfluss auf seine Gesundheit hatte, lässt sich wohl nicht mehr klären. Majestät (Wilhelm II) haben nämlich die Wünsche der Buckower sehr ungnädig aufgenommen und sind bis zum Auslaufen des Jagdpachtvertrages 1917 nicht mehr nach Buckow gekommen.

Eine Akte des königlichen Hofjagdamts über Gratifikationen an das Personal lässt Rückschlüsse auf das Einkommen Luthers zu. In der Zeit von 1875 bis 1893 hat er jährlich 100 bis 150 Mark als eine Art Weihnachtsgeld bekommen. Ein Feldhüter bekam bei einem Gehalt von 600 Mark (jährlich) eine Gratifikation von 10 bis 15 Mark. Man darf wohl davon ausgehen, dass Luthers Jahresgehalt ein Mehrfaches der 600 Mark betrug.
Nicht zu klären war das weitere Schicksal seiner Schwester. Einen Anspruch auf Versorgung durch das Hofjagdamt hatte sie sicher nicht und ob Luther sie als Hausangestellte beschäftigt hatte und sie einen Rentenanspruch erwarb, ist eher zweifelhaft. Vermutlich hatte sie kein Einkommen mehr. Möglicherweise steht das Gebäude  von Luthers erster Unterkunft sogar noch. Ein Vergleich des Hauses Buckower Damm 230 mit einem Foto des Landesarchivs Berlin vom „Deutschen Kaiser“ deutet darauf hin. Die Bauakten des Bezirksamts Neukölln reichen jedoch nicht bis ins 19. Jahrhundert zurück und somit besteht keine Sicherheit für diese Vermutung.

Diese Daten sind zusammen getragen aus dem „Teltower Kreisblatt“, der Beilage dazu, „Heimat und Ferne“, aus dem „Teltower Heimatkalender“ sowie mit Hilfe von Professor Manegold, dem ehemaligen Bürgermeister von Neukölln.

Text:
Hans-Georg Miethke